Pause von der Hoffnungslosigkeit.

Mobile Hilfe für Frauen in Not: ein umgebauter Truck fährt als Rolling Safe Space in Griechenland von Camp zu Camp. Das ROSA-Team bietet Beratung, Unterstützung und wertvolle Momente der Entspannung. Für Frauen, deren Leben oft genug hoffnungslos scheint. A truckload of solidarity.

von
Leonie Maier
und

Eine Vision wird Wirklichkeit: Vor einigen Monaten haben wir hier und im Podcast  ROSA erstmals vorgestellt. Inzwischen ist ihr Truck on the road. Der folgende Text ist ein erster Erfahrungsbericht aus Griechenland. Einblick in die Hilfe für Frauen vor Ort.

Erster Einsatz für den Truck

Alles begann, anders als erwartet, in Schnee und Kälte. Unsicher, ob wir für so ein Wetter nicht ganz anders ausgestattet sein müssten, machten wir uns trotzdem auf den Weg zum ersten Camp: Ritsona.

Es ist mit etwa 3000 Bewohner*innen das größte Camp auf dem griechischen Festland und liegt 75 km nordwestlich von Athen. Rund um eine viel befahrene Hauptstraße liegen Industriegebäude und Lagerhallen, dazwischen das Camp, im Hintergrund Berge. Um das Camp herum werden gerade eine drei Meter hohe Mauer und ein Stacheldrahtzaun gebaut; bald wird es nur noch durch ein Drehkreuz zugänglich sein.

Als wir das erste Mal mit dem Truck dort ankamen, herrschte Schneeregen bei zwei Grad. Wir durften das Campgelände nicht betreten, konnten jedoch außerhalb davon, am Hintereingang, parken. Einige von uns versuchten, am Haupteingang auf unseren Truck aufmerksam zu machen. Schnell sprach sich unsere Anwesenheit herum. Essenziell war hierbei unsere arabischsprechende Übersetzerin, ohne die wir einen Großteil der Menschen nicht erreicht hätten.

Schließlich begleiteten uns vier Frauen aus Syrien in den Truck und teilten ihre Geschichten, tranken Tee, sangen und tanzten mit uns. Berührt von diesen Begegnungen inmitten der menschenunwürdigen Umgebung des Camps kehrten wir abends zurück - es war weitaus mehr passiert, als wir je vom ersten Tag erwartet hatten. 

ROSA. Rückzugsort aus der Trostlosigkeit

Das zweite Camp, das wir anfuhren, heißt Oinofyta: ein kleineres Camp mit viel schlechteren Bedingungen. Es gibt weniger staatliche Unterstützung, weniger NGOs, ein strengeres Camp-Management, und die Bedürfnisse und Nöte der Menschen dort sind noch drängender und grundlegender als in Ritsona.

Wir wurden nach Seife und Zahnbürsten gefragt, die medizinische Versorgung sei schlecht, das Essen nicht ausreichend. Ein paar hundert Meter vom Haupteingang entfernt konnten wir einen Parkplatz finden und unsere kleine Oase auf der Böschung hinter dem Truck aufbauen. 

Im Camp Malakasa

Im Verlauf der folgenden Wochen fuhren wir noch ein drittes Camp, Malakasa, an. Es liegt neben der Autobahn Richtung Athen, ein Großteil der dort lebenden Menschen kommt aus Afghanistan, gesprochen wird vor allem Farsi.

In Malakasa stehen ebenfalls Veränderungen an: Das alte Camp wird bald geschlossen und durch ein neues, besser gesichertes Camp ersetzt. Noch ist unklar, wann und wie genau diese Umsiedelung passieren sollen, klar ist jedoch: Es wird immer schwieriger für NGOs und Projekte, Zugang zu den Menschen zu bekommen.

Hier bewährt sich nun das Konzept unseres „rolling" Trucks und die damit einhergehende Flexibilität, durch die wir trotz zunehmender Abschottung der Camps unsere Arbeit umsetzen können. 

Gespräche unter Pavillons

Seit die Temperaturen es erlauben, hat sich unser Raum um zwei Pavillons erweitert, die wir nun je nach Camp-Umgebung in geschützten Bereichen um den Truck aufbauen, wodurch wir mehr Platz für Gesprächskreise, Kinderbetreuung und Sportworkshops haben.

Ein Raum, der so wenig braucht: unter den Pavillons ein paar Teppiche und Kissen, Sitzgelegenheiten, Tücher als Sichtschutz. Tee, Spielzeug, Perlen und Wolle, eine Gitarre, ein Schellenkranz. Seit dem ersten Tag reihen sich die Kinderwagen neben dem Truck, Frauen sitzen beisammen; manche nehmen das Angebot wahr, in Ruhe mit einer Ärztin oder Hebamme im Truck zu sprechen. Geschichten werden erzählt, Lieder gesungen. Auch Gesprächskreise zu Gesundheitsthemen wie Menstruationszyklus, Schwangerschaft oder zur Brustkrebsvorsorge finden statt.

Meist befüllen wir am Ende des Tages eine Schublade des Trucks mit Sachspenden - Kondome, Menstruationsartikel, Seifen - die anschließend mitgenommen werden können.

Alles Nötige im Truck

Daneben gab es Box-, Tanz- und Fitnessworkshops, Akrobatik-Sessions, Bauch-Beine-Po-Übungen oder Runden zum Entspannen und Dehnen. Daneben Malen mit Händen und Füßen, Basteln, Häkeln und Werken mit Holz. Es wurden Blumen gepflanzt, Blumenkränze geflochten, Nägel lackiert sowie zahlreiche UNO-Turniere ausgefochten.

Bei alldem versuchen wir, auf die Wünsche der Frauen einzugehen und freuen uns über ihren Input. Flexibel mussten wir auch in den wenigen Regentagen agieren.

So wurde das Innere des Trucks in diesen Tagen ein Kino, ein Dancefloor oder ein Musikraum mit Gitarre und Tamburin. Später wurden auch die Pavillons mit wasserfesten Planen überdacht, doch zum Glück sind Regentage rar.

Zuhören und Beraten

Unser medizinisches Angebot umfasst vor allem Zuhören, Beraten, kleinere diagnostische Maßnahmen und niedrigschwellige Behandlung.

Unser Medi-Team hatsich in den letzten Wochen und Monaten ein Netzwerk aufgebaut, unter anderem mit MVI (Medical Volunteers International) und MSF (Medecins sansfrontieres) Ärzte ohne Grenzen) in Athen; und kann inzwischen direkte Überweisungen an diese vornehmen, was unser medizinisches Angebot sehr bereichert.

Iftar - Fastenbrechen mit den Frauen im Camp

Berührend und aufregend war das gemeinsame Iftar -das Fastenbrechen während des Ramadans (im April) -, das wir an manchen Abenden zu Sonnenuntergang gemeinsam mit den Frauen in unserem Saferspace gefeiert haben.

Alle haben etwas vorbereitet und mitgebracht, um dann gemeinsam zu essen und den Abend zu verbringen. Mit Schwarztee und Shisha wurde in die Nacht gefeiert. Fast vergisst man, dass nur ein paar Meter weiter der Stacheldrahtzaun und das Militärgelände wachen - es ist schön zu sehen, dass bereits jetzt nicht nur wir, sondern auch die Menschen vor Ort, ROSA gestalten. 

Die drei Camps, die wir anfahren, Ritsona, Oinofytaund und Malakasa, sind mittlerweile fest in unserer Wochenstruktur verankert. Wir freuen uns darüber, dass viele bereits bekannte Frauen und Kinder regelmäßig kommen, aber auch immer wieder neue Gesichter auftauchen.

Aufregend waren auch die Tage mit verschiedenen anwesenden Medien- und Kamerateams. Es war herausfordernd, einen Umgang damit zu finden – die Balance zu halten zwischen dem Bewahren des sichtgeschützten Saferspaces und dem Wunsch, der Welt zu zeigen, was vor Ort passiert, der Wichtigkeit von Öffentlichkeitsarbeit für das langfristige Bestehen des Projekts. Bei allen Berichterstattungen war uns wichtig, die Situation vor Ort und die Frauen in den Fokus zu stellen.

Umzäuntes Leben im Camp. Mit welcher Perspektive?

Zusammenfassend lässt sich sagen (wie ein Crewmitglied nach den ersten Wochen bemerkte): "Mal sind wir eine Cafeteria, mal ein Kindergarten, mal eine Praxis - und manchmal alles gleichzeitig."

Da sich vor Ort bestätigt hat, dass seine Versorgungslücke von genderspezifischen Angeboten besteht und unser Projekt gut angenommen wird, haben wir beschlossen, hierzubleiben und von der Pilotphase direkt in eine kontinuierliche Arbeit überzugehen.

Besonders für das Vertrauen der Frauen, die ROSA nun kennengelernt haben, aber auch für die Zusammenarbeit mit den Camp-Managements (griechische Behörden), dem IOM (International Organisation of Migration) und anderen NGOs ist es essenziell, zu signalisieren, dass ROSA langfristig da ist - solange die Umstände an den europäischen Außengrenzen tragischerweise so sind, wie sie sind. 

Gemeinsamer Traum: You can't build walls around our dreams

Um das Projekt langfristig weiterführen zu können, braucht ROSA stets Unterstützung.

Mehr dazu hier: www.rolling-safespace.org/unterstuetzen.

 Kontakt: info@rolling-safespace.org