Alles neu in der EU-Asylpolitik? Der Migrationspakt sollte den Stillstand überwinden, ist aber eher ein Schritt zurück als einer vor.
Am 23. September 2020 beschloss die Europäische Kommission das neue Migrations- und Asylpaket. Die Veröffentlichung geschah früher als geplant, doch die Zerstörung von Camp Moria auf Lesbos führte zu einer Vorverlegung des Termins.
Mit dem Migrationspakt sollte die EU-Asylpolitik überarbeitet werden. Das schlecht bis überhaupt nicht funktionierende Dublin-System sowie die mangelnde Aufnahmebereitschaft von Geflüchteten in vielen Staaten Europas unterstrich die Dringlichkeit der Reform. EU-Grenzstaaten wie Griechenland sahen sich völlig überfordert, während zentral- und nordeuropäische Länder (allen voran Ungarn, Polen und Österreich) jegliche Änderungen des Staus Quo ablehnten.
In vielerlei Hinsicht ist der vorgestellte Inhalt des Migrationspakts jedoch nicht neu. Vielmehr spiegelt er die Schwerpunkte der EU-Migrationspolitik wider. Konkret sollen die EU-Außengrenzen besser überwacht werden (eine Europäische Grenz- und Küstenwache sollte dafür Anfang 2021 die Arbeit aufnehmen). Es gab auch einen verstärkten Fokus auf schnellere Asylverfahren - unter anderem durch sogenannte Grenzverfahren, um so früh wie möglich das Vorliegen von Fluchtgründen festzustellen. Liegen keine vor, können Menschen schneller wieder abgeschoben werden. Die EU-Grenzschutzagentur Frontex soll intensiver zum Einsatz kommen, ein EU-Rückführungs-Koordinator ernannt und Maßnahmen zur Eindämmung von (irregulärer) Migration verstärkt werden.
Kernstück des Pakts ist allerdings das Gebot der Solidarität der EU-Staaten. Abhängig von den jeweils aktuellen Umständen gibt es dafür drei Szenarien:
Der Pakt wurde von Menschenrechtsorganisationen stark kritisiert, vor allem, dass daran vieles nicht neu ist. Es handle sich um die Weiterführung der gehabten EU-Migrationspolitik. Schnellere Verfahren an den EU-Grenzen würden zu ähnlichen Situationen führen wie der Hotspot-Ansatz und der EU-Türkei-Deal (was ja gerade zu überlasteten Camps wie Moria führte). Kritisiert wurde auch der Fokus auf die Abschreckung von Geflüchteten, das effektivere Abschieben von Menschen und die Beschleunigung von Asylverfahren.
Auch EU-Staaten übten Kritik, wenn auch etwas anderer Natur. Österreich, Ungarn, Polen, Slowenien, Tschechien und Slowakei gaben zu Protokoll, dass der Pakt nicht funktionieren würde. Die Herausforderung durch Migration solle zwar gesamteuropäisch gelöst werden, allerdings nicht bei der Betonung von Solidarität. Den südlichen EU-Staaten wiederum waren die Solidaritätsregelungen nicht strikt genug, sie fordern weiterhin verpflichtende Aufnahmeregeln.